Schüler auf Salem 1933/34
Philip, Prinz von Griechenland und Prinz von Dänemark, lernte Salem erstmals im Sommer 1931 anlässlich der Heirat seiner Schwester Theodora mit Prinz Berthold von Baden kennen. Als Schüler wechselte er im Sommer 1933 von Cheam auf die Schule Schloss Salem, um der familiären Einsamkeit in England zu entgehen. Der Zwölfjährige besuchte ab 12. September 1933 zunächst die Untertertia auf dem Spetzgart. Aus einem Brief an einen ehemaligen Lehrer in Cheam vom 7. Oktober ist zu erfahren, dass er die Jungs sympathisch fand und schnell Freundschaften schloss. Daneben genoss er den Blick auf die Alpen und das Baden im Bodensee. Er fuhr mit dem Fahrrad eine Stunde nach Salem zu seiner Schwester, wann immer er das wünschte. Ab 23. April 1934 ging Prinz Philip auf Salem zur Schule. Über seine dortige Zeit schrieb er: „Hahn war inzwischen gegangen, und als sich der Kampf zwischen dem Personal und den Nazis entwickelte, begann die gesamte Struktur der Schule zu zerfallen. [...] Ich arbeitete ein wenig und spielte ein bisschen Hockey, aber Disziplin und Organisation brachen zusammen. Nazi-Fahnen tauchten auf, und eine Reihe von Oberstufenschülern trat der Hitler-Jugend bei. Einige sträubten sich gegen die Machtübernahme der Nazis, und besonders ein älterer Junge, der für uns Junioren verantwortlich war, missfiel diesen Schlägern so sehr, dass sie ihn eines Nachts erwischten und ihm den Kopf rasierten. Ich lieh ihm meine Cheam- und XI-Kricketmütze und ich hoffe, er hat sie noch.“ (Kurt Hahn: A Life Span in Education and Politics; Übersetzungen: Martin Kölling). Nach Ende des Schuljahrs und nach Teilnahme an der 800-Jahr-Feier in Salem wurde er im September 1934 zur British Salem School in Gordonstoun, dem von Kurt Hahn in Schottland gegründeten „zweiten Salem“, in Sicherheit gebracht. Über diesen abrupten Schritt berichtete Hahn: „Immer, wenn der Nazi-Gruß gezeigt wurde, brüllte er vor Lachen.“ Nachdem Prinz Philip zur Vorsicht ermahnt worden war, verdoppelte er die Lautstärke seiner unkontrollierbar scheinenden Heiterkeit. Seine Schwester Theodora sagte dazu: „Wir hielten es für ihn und auch für uns für besser, wenn er sofort nach England zurückkehren würde.“ (Gordonstoun and Salem, Kurt-Hahn-Archiv).
Kurt Hahn und sein Schüler
Bei seiner Ankunft auf Gordonstoun im September 1934 hatte die neue Schule nur 27 Schüler. Prinz Philip trat in mehreren Shakespeare-Stücken auf, wurde Kapitän des Hockeyteams und war 1939 Guardian (Schulsprecher). Kenner der Royals bezeugen, dass er das Schulleben in Gordonstoun mit seiner Charakterbildung durch Selbstdisziplin, Teamgeist, spartanisches Leben und körperliche Anstrengung genossen habe: Er fand demnach Gefallen an den kalten Bädern, den frühmorgendlichen Läufen und den vielen Wettkämpfen in freier Natur, die sich mit Zeiten der Kontemplation ablösten. Vom Seemannsdienst in Gordonstoun ging es nach dem Schulabschluss zur Royal Navy. Später sollten auch seine Söhne Gordonstoun besuchen. Prinz Philip fand dort nach einer schwierigen Kindheit die bisher vermisste Stabilität. Hierzu trug erheblich Kurt Hahn als sein Mentor bei. Diesen hatte er kurz während eines Urlaubsbesuchs vor seiner Schulzeit in Salem kennengelernt: „Als Gründungsschulleiter sowie als Mann mit ausgeprägten Manieren und einem beachtlichen Ruf flößte sein Name Ehrfurcht und Respekt ein. Allerdings war ich damals ein kleiner Junge an einer sehr konventionellen englischen Vorbereitungsschule, und der Anblick seiner großen Gestalt, mit gesenktem Kopf, bedeckt von einem sehr breitkrempigen grauen Filzhut und einem Taschentuch zwischen den Zähnen, wirkte auf mich ganz natürlich etwas komisch.“ (Kurt Hahn: A Life Span in Education and Politics). Als Prinz Philip Salem als Schüler besuchte, war Hahn bereits im Exil. In Gordonstoun jedoch nahm er den Heimatlosen unter seine Fittiche und prägte seinen Charakter. Der britische Journalist und Königshaushistoriker Andrew Marr führt hierbei den Verzicht auf Selbstmitleid, den Glauben an das Sachliche, eine an Provokation grenzende Kantigkeit, die gut versteckte Intellektualität und nicht zuletzt das Interesse an der Natur an. Hahn selbst beschrieb ihn zunächst so: „Philip erbte von der dänischen Familie die Fähigkeit, kleinen Begebenheiten großen Spaß abzugewinnen. Bei der Arbeit zeigte er lebhafte Intelligenz, aber auch die Entschlossenheit, sich nicht mehr anzustrengen, als nötig war, um Ärger zu vermeiden.“ (Gordonstoun and Salem). Als er Gordonstoun 1939 mit 18 Jahren verließ, urteilte Hahn über ihn: „Prinz Philip hat das stärkste Verantwortungsgefühl von allen Jungen, die in Gordonstoun sind. Sein hervorstechender Charakterzug war sein unbesiegbares Temperament. Sein Lachen war überall zu hören. Bei seinen Schularbeiten zeigte er eine wache Intelligenz und gab sich niemals mit mittelmäßigen Ergebnissen zufrieden.“ (Hahn im SWF-Interview 1966). Zudem bescheinigte er ihm, ein geborener Führer zu sein: „Aber er bedarf der strengen Anforderung eines großen Dienstes, um sich selbst gerecht zu werden. Sein Bestes ist hervorragend, sein Zweitbestes ist nicht gut genug. Prinz Philip wird sich in jedem Beruf auszeichnen, der ihn zwingt, sich in einer großen Kraftprobe zu bewähren.“ (FAZ vom 30. Mai 1959). Prinz Philip selbst formulierte Hahns Einfluss auf ihn mit diesen Worten: „Ich gebe keinen Augenblick vor, dass ich mir zu dieser Zeit aller Theorien und Methoden Hahns in der Erziehung bewusst war, aber wenn ich zurückblicke, erkenne ich, dass die gesamte Basis und das Fundament von Gordonstoun von Hahn und den Deutschen jener Tage geprägt und beeinflusst wurde, die Hahn so sehr für die Notwendigkeit sensibilisierten, Jungen zu ermutigen, sich als verantwortungsbewusste Individuen zu entwickeln; stark genug in Geist und Charakter, um die Standards des Pöbels abzulehnen und der Versuchung zu widerstehen, mit der Herde zu laufen.“ (Kurt Hahn: A Life Span in Education and Politics). Anlässlich der Hochzeit mit der britischen Thronfolgerin Elisabeth am 20. November 1947 ließ Kurt Hahn das 70-seitigs Buch „Gordonstoun and Salem“ als gemeinsames Geschenk beider Schulen für das Ehepaar erstellen. Es war ein bewusst bescheidenes, persönliches und mit einem exklusiven Einband gleichzeitig standesgemäßes Geschenk. Gedruckt wurden nur wenige Exemplare. Eines davon befindet sich als weniger exklusiver Vorabdruck im Kurt-Hahn-Archiv. Philip wiederum unterstützte später Gordonstoun immer wieder durch Stiftungen, ebenso wie die United World Colleges.
Rückkehr nach Salem
Nach zunächst rein privaten Familienbesuchen in Salem kehrte Prinz Philip 1963 zur Beerdigung seines Schwagers Markgraf Berthold von Baden offiziell zurück. Am 22. Mai 1965 folgte im Rahmen einer Deutschlandreise ein zweitägiger Verwandtschaftsbesuch mit der Queen. Extra für diesen hohen Besuch wurde die bereits 1953 stillgelegte Eisenbahntrasse zum Stefansfelder Bahnhof für den royalen Sonderzug reaktiviert. 10.000 Menschen, darunter Schüler aller Salemer Schulen, standen für die Kutschfahrt zum Schloss mit britischen Fähnchen in der Hand Spalier und sangen im Chor. Im Schlossbereich bewegte sich das englische Königspaar zwanglos und ohne großes Sicherheitsaufgebot. Am 23. Mai besuchte Prinz Philip überraschend auch den Hohenfels. Der Besuch wurde in einer Broschüre verewigt. Anlässlich des Besuchs urteilte die Queen über Salem: „Ein Stück England am Bodensee.“ Kurze Zeit später erhielt die Schule einen Brief der Queen mit einem außergewöhnlichen Vorschlag: Der Tag des Besuchs solle in Zukunft als schulfreier Tag begangen werden – vermutlich ein gemeinsam mit ihrem Gemahl ausgeheckter Streich. Die Schulleitung antwortete höflich, allein aus dem schulfreien Tag wurde nichts. Von späteren Familienbesuchen wurde besonders die Rückkehr Prinz Philips am 6. April 2005 bekannt, da der private Besuch ohne offizielle Termine zeitgleich zum ursprünglich geplanten Hochzeitstermin von Prinz Charles mit Camilla Parker-Bowles angesetzt worden war.
Hier geht's zu einem Zeitdokument über den Besuch von Königin Elisabeth II und Prinz Philip in Salem
Trauer in Salem
Der weltweiten Trauer um Prinz Philip schlossen sich auch das Haus Baden und die Schule Schloss Salem an. Bernhard Prinz von Baden erklärte in einer Pressemitteilung am Tag des Todes seines Großonkels: „Das Haus Baden bekundet seine tiefste Trauer über den Tod des Herzogs von Edinburgh. Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt Ihrer Majestät und ihrer gesamten Familie. Prinz Philip war unserer Familie und Schloss Salem Zeit seines Lebens eng verbunden. Er nahm stets mit lebhaftem Interesse an der Entwicklung der jüngeren und jüngsten Familiengenerationen teil.“ Schulleiter Bernd Westermeyer erklärte in einer Pressemitteilung der Schule: „Die Schule Schloss Salem hat die Nachricht vom Tode des Herzogs von Edinburgh traurig und mit Betroffenheit aufgenommen, da sich sowohl die Internatsgemeinschaft als auch die Altschülerschaft sehr auf den in zwei Monaten anstehenden 100. Geburtstag von Prinz Philip gefreut hatten. Das Mitgefühl aller Salemerinnen und Salemer gilt der königlichen Familie. […] Insbesondere über den 1956 von Prinz Philip und Kurt Hahn begründeten ,Duke of Edinburghʽs International Awardʽ war, ist und wird die multinationale Schülerschaft der Schule Schloss Salem ihrem verstorbenen Alumnus eng verbunden bleiben und die pädagogischen Prinzipien, die ihm und den Salemer Schulgründern Max von Baden und Kurt Hahn gleichermaßen wichtig waren, weiter mit Leben erfüllen.“
Das Vermächtnis
Diesen Award brachten Kurt Hahn und Prinz Philip – einst ein schneidiger Marinekommandant und bekanntermaßen ein Freund körperlicher Ertüchtigung – 1956 gemeinsam auf den Weg. Als internationales Jugendprogramm fördert es junge Menschen über die Programmteile Dienst, Talente, Fitness, Projekt und Expedition. Die drei Stufen Bronze, Silber und Gold ermutigen Teilnehmer zwischen 14 und 25 Jahren zu eigenem Engagement. Seit 1956 nahmen über sieben Millionen Jugendliche aus 130 Ländern daran teil. Seit über zehn Jahren absolvieren jährlich bis zu 50 Schüler der Schule Schloss Salem den Award in der höchsten Schwierigkeitsstufe Gold, die Kosten dafür trägt die ASV. Anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Awards besuchte eine Salemer Delegation unter anderem mit Bernhard Prinz von Baden und Bernd Westermeyer Prinz Philip im Rahmen einer Privataudienz im Buckingham Palace. „Er hat sich seinerzeit wirklich Zeit genommen mit uns zu sprechen und hatte erstaunlich gute Erinnerungen an diese frühe Kindheit“, so Westermeyer. Über die beeindruckende Persönlichkeit von Prinz Philip urteilt er: „Er lebte als Erwachsener vor, was er in Salem und Gordonstoun von Kurt Hahn und anderen vermittelt bekam. Der Duke of Edinburgh’s International Award wird als ein fantastisches Vermächtnis global nachwirken.“
Marc Zirlewagen
Nachfolgend eine Anekdote eines Mitschülers von Prinz Philip:
Mit Prinz Philip in Salem
Seit 1934 war Prinz Philip für einige Monate mein Klassenkamerad in Salem. Er war ein Bruder der Markgräfin von Baden, lebte aber wie alle Schüler im Internat, während ich, als Sohn des Überlinger Arztes und Leiters des Krankenhauses, mit meinem Bruder Frithjof als ,externerʽ Schüler täglich mit dem Fahrrad die etwa 12 km von Überlingen nach Salem und zurück fuhr. Wir lernten Philip als ,Prinz von Griechenland und Dänemarkʽ kennen. Von Anfang an war er sehr zugewandt und kameradschaftlich. Wir waren nur wenige Schüler in der Klasse und kannten uns untereinander gut. Auch die Streiche, wie sie wohl zu Tertianern gehören, wurden gemeinsam ausgeheckt. Philip und ich, 13 Jahre alt, ,spieltenʽ in der Lateinstunde ,Schlacht bei Cannaeʽ, indem wir mit den beiden Flügelbänken, die mit den Knieen nach vorne zu schieben waren, so vorrückten, dass sich der Lehrer, der später bekannte Latinist Victor Stegemann, bald umzingelt sah. Mit dem Ruf „Ihr Teufelsbraten!“ verließ er zornig die Klasse. Auch unser Rufen, wir hätten doch nur zeigen wollen, dass wir Cannae verstanden hätten, beruhigte Herrn Stegemann nicht.
Wolfdieter Haas (Salem Schüler 1933 bis 1938)