30.01.2020
Ein Zeitzeugengespräch in Dachau
Acht Schülerinnen und Schüler fuhren zum 75. Gedenktag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz nach Dachau und trafen dort den Zeitzeugen Georg Troller.

Montag 27. Januar 2020. 75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz – Holocaust Gedenktag. Doch eigentlich bedeutete dieser Tag damals so viel mehr, als wir Jugendliche uns heutzutage vorstellen können.

Am 27. Januar 1945 wurde ein wichtiger Teil der NS-Verbrechen gestoppt und ein essenzieller Teil der Nazi-Verbrechen publik gemacht. Kaum einer kennt nicht die Bilder aus den Lagern. Die verwesten, gelb angelaufenen Leichen, die einem Staat des Hasses und der Grausamkeiten, vor allem aber einem Staat des Schweigens und der Passivität, zum Opfer fielen. Auch wir, Schülerinnen und Schüler der Schule Schloss Salem, kennen diese Bilder, aber nicht alle von uns hatten bereits die Gelegenheit, die Erfahrungen eines Überlebenden erzählt zu bekommen.

So machten wir, acht Schülerinnen und Schüler und unser Lehrer Herr Dyroff, uns auf die von Amnesty organisierte 3-stündige Reise nach Dachau. Wir wollten mehr wissen. Beginnen zu verstehen, wie Millionen Menschen das systematische Ermorden vermeintlicher „Parasiten“ ausblenden konnten. Wir wollten versuchen, nachzuvollziehen, was es heißen muss, ein Flüchtling zu sein. „Flüchtling“ - wenn wir heutzutage das Wort hören, denken wir an Syrien, Afghanistan oder Eritrea. Aber vor nicht einmal 100 Jahren hätte jeder Einzelne von uns ein Flüchtling sein können. Das machte uns Zeitzeuge Georg Troller noch einmal bewusst. Er erzählte, wie er im Alter von 17 Jahren dank einiger glücklicher Umstände aus Deutschland fliehen konnte. Wie er zu eben einem solchen Flüchtling wurde. Wie er dank vieler Zufälle Teil der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz wurde, und mit der Tatsache konfrontiert war, dass er eine der verwesten, gelb angelaufenen Leichen hätte sein können.

„Und dann stand ich da mit meiner Kamera. Denn eine Kamera gibt einem die Möglichkeit, das Gesehene in ein Bild, also etwas weniger Reales, zu verwandeln, […] und merkte, dass ich eine dieser Leichen, die von einem amerikanischen Soldaten abgelichtet wurde, hätte sein können“. So in etwa beschrieb Troller das einschneidende Erlebnis der Befreiung.

Umso absurder, beängstigender und unwirklicher erschien es uns, als er erzählte, wie kaum einer der Deutschen, die von den Alliierten gezwungen wurden, sich Dachaus Grauen anzuschauen, ein Gefühl der Reue zu verspüren schien. Sie sagten zu ihm „Also das hätten Sie uns nun wirklich nicht antun brauchen“.  Das kann ich nicht verstehen – doch ich wünsche mir, dass ich es irgendwann kann. Lag die von ihnen wahrgenommene Grausamkeit darin, dass sie ihren Taten ins Auge blicken mussten? War das auch der Grund, weshalb sie behaupteten nicht gewusst zu haben, was im Lager vorgefallen war? 

Wenn ich eins gelernt habe, dann ist es, dass es um jeden Preis zu verhindern gilt, dass jemand gehasst und verfolgt wird. Dass jemand es aushalten muss, sich wehrlos anpinkeln zu lassen. Ich hoffe, dass ich es besser machen werde, als die meisten Deutschen unter den Nazis. Ich glaube, dass Troller dies auch hofft. Gerade jetzt, nicht mal 100 Jahre später, wo die rechten Parteien an Macht und Gehör gewinnen, ist es notwendig, dass wir es besser machen werden.

In einem bin ich mir sicher: Nie wieder!

Esther Evers IB 2 - unter MItwirkung von Melinda Käferstein und Tim Lingk (Abi II)

Zurück